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Die Blumenauer Fabrikantenfamilie Fritzsche in den 1950er und -60er Jahren
Eine gesamtdeutsche Geschichte

Mir ist bekannt, dass Mitglieder der Familie Fritzsche Teile der folgenden Darstellung für unrichtig oder tendenziös halten. Leider konnte ich bisher keinen Kontakt zu solchen Personen herstellen. Ich bin aber jederzeit bereit, persönlich, telefonisch, brieflich oder per E-Mail über unrichtige Darstellungen zu sprechen und die entsprechenden Textstellen zu korrigieren.

(Anmerkungen von mir in Zitaten)

Als am 8. Mai 1945 das Nazi-Regime kapitulierte, schien das für viele Deutsche, die das Regime gefördert oder tatkräftig unterstützt hatten, das Ende zu sein. Unter ihnen ist Karl Reinhold Fritzsche, Geschäftsführer der Carl Fritzsche Baukasten- und Holzstoff-Fabrik Blumenau /i.Sa. Einen Tag nach der Kapitulation geht er aus Angst vor der Rache der Sieger 'ins Wasser' der Flöha.
Die Firma Carl Fritzsche ist zweifelsohne diejenige Blumenauer Baukastenfabrik, die am meisten und von Anfang an auf der nationalen und militaristischen Welle reitet und davon profitiert. Mit seinen Kreationen Der neue Wehrmacht-Baukasten, Der neue Baukasten mit SA und den Armator-Baukästen bezieht das Unternehmen eindeutig Stellung im nationalsozialistischen Geiste. Neben der gesinnungsmäßigen Übereinkunft hat die Firma aber nach Ausbruch des Krieges auch sowjetische Kriegsgefangene in ihrer Produktion eingesetzt .

Auch die noch lebenden Miglieder der Familie Fritzsche sind den neuen Verhältnissen nicht grün. Anfang 1953 setzen sich Karl Fritzsches Söhne Willy mitsamt Familie und Johannes mit Frau und dem früheren Prokuristen Ernst Arthur Rümmler nebst Famulie 'nach dem Westen ab', wie die Handelsregistereintragung kund tut . Rümmler hatte in der NS-Zeit besonders aktiv versucht, Aufträge für den 'Heeres- resp. lebenswichtigen Bedarf' zu aquirieren, obwohl die Firma, wie Rümmler selbst zugibt, 'enorme Mengen Aufträge für den zivilen Bedarf vorliegen' hat . Beide verlieren durch die Flucht in den Westen ihre Gesellschafteranteile an der Carl Fritzsche oHG. Im Handelregister heißt es dazu lapidar: "Lt. Mitteilung des Rates des Kreises - Ref. Staatl. Eigentum - v. 17.2.53 sind die Vermögensanteile des Willy und Johannes Fritzsche auf Grund des § 1 der Anordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17.7.1952 in das Volkseigentum übergegangen. Rechtsträger ist die Deutsche Investitionsbank."(DIB) .

Die Fritzsche-Söhne gehen im Westen getrennte Wege. Während Willy zusammmen mit Rümmler in Burgdorf (heute zu Hannover gehörig) die Burgdorfer Baukastenfabrik W. Fritzsche gründet, die sich in den Folgejahren wirtschaftlich erfolgreich entwickelt, steht Hans, der von Leuten, die ihn kannten als Hallodri und Lebemann bezeichnet wird, der Sinn nicht so sehr nach Arbeit. Anfangs läßt sich zwar alles ganz gut an. Mit seinem guten Namen bekommt er von der Gewerkschaft ein Darlehen von 100.000 DM und baut in Lüneburg ebenfalls eine Baukastenfertigung auf. Doch bald schon scheint er nur noch wenig Interesse an der Arbeit zu haben und überlässt seiner Frau die Geschäfte, während er sich den Gerüchten zufolge in Bars und Klubs herumtreibt. Da seine Frau weder von Betriebswirtschaft noch von Baukastenproduktion etwas versteht, kommt das Unvermeidliche: die Firma geht pleite, und Hans im Pech muss sich eine Arbeit suchen. Er findet eine Stelle als Waschmaschinen-Vertreter bei Siemens, reist durch die Lande und verkauft Waschmaschinen, die zu dieser Zeit gerade aufkommen und guten Absatz finden. Bezahlt wird zu dieser Zeit natürlich in bar, und Hans im Glück kann wieder ein ausschweifendes Leben führen. Zumindest solange, bis Siemens das ausstehende Geld energischer zurückfordert. Als Hans der Boden unter den Füßen zu heiß wird, entschließt er sich 1956, 'reumütig' in die DDR zurückzukehren. Dort bekommt er tatsächlich seine Gesellschafteranteile an der Firma zurück. Unter welchen Bedingungen, ist ungeklärt. Jedenfalls taucht er in Blumenau wieder auf, wo er verschiedene Bekannte wegen DDR-feindlicher Äußerungen denunziert haben soll. Ansonsten borgt er Geld, betreibt auch eine Zeitlang in Freiberg eine Gaststätte ohne Lizenz und landet schließlich in Zwickau im Untersuchungsgefängnis.
Um die Gläubiger befriedigen zu können, muss sich Hans Fritzsche seine Firmenanteile auszahlen lassen. In einem Ausscheidungsvertrag zwischen den Anteilseignern Albert Fritzsche, dessen Schwägerin Frieda, dem 'Eigentum des Volkes' und Johannes Fritzsches Anwalt Taeschner vom April/Mai 1957 werden die Bedingungen festgelegt, unter denen Fritzsche auf den Ausscheidungsbetrag von 30.000 DM zugreifen kann. Kurz gesagt: Aus dem Guthaben dürfen nur Gläubigerforderungen beglichen werden. Nach seiner Haftentlassung soll ihm eine Summe von monatlich 500 DM zur Verfügung stehen. Hans Fritzsche verpflichtet sich, die notarielle Austrittserklärung zu unterzeichnen und scheidet rückwirkend zum 31.12.1956 aus der Firma aus .
Damit ist die Tragödie Hans Fritzsche noch nicht zu Ende: Er wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, soll in einem Bergwerk gearbeitet und während der Haftzeit gestorben sein. Ob das allerdings den Tatsachen entspricht, ist noch aufzuklären, denn nach anderen Berichten soll er später in der westsächsichen Kleinstadt Glauchau in heruntergekommenen Verhältnissen gelebt haben.

Jedenfalls lebt er im Februar 1961 noch, als seine Mutter Frieda Fritzsche verstirbt. Er erbt mit seinem Bruder Willy, dem westdeutschen Unternehmer aus Burgdorf, auch die Gesellschafteranteile in Höhe von je 23.700 DM. Im Gesellschaftervertrag (§18) hat jedoch Frieda Fritzsche bestimmt, dass von ihren Erben lediglich Willy Fritzsche als Gesellschafter in die Firma eintritt. Folglich muss Johannes wiederum ausgezahlt werden. Mit Zustimmung oder auf Bitten der Fritzsches erhöht der Kommanditist VEB Baukastenfabrik Blumenau, die seit dem 1.10.1960 die Stelle der DIB übernommen hat, seine Einlagen um die betreffenden 23.700 DM und zahlt Johannes Fritzsche aus. Auf Drängen von Willy Fritzsche wird der Zugriff von Johannes Fritzsche auf das Geld jedoch reglementiert, um vor allem seine Schulden zu bezahlen. Willy Fritzsche tritt mit Wirkung vom 5.2.1961 als Kommanditist in die Firma ein. Gerhard K., früher Prokurist und inzwischen Betriebsleiter der Firma, wird von ihm mit der von den DDR-Gesetzen geforderten Generalvollmacht betraut.

Die Entmachtung der Familie Fritzsche aus der Firmenleitung hatte sich inzwischen weiter vollzogen. Anfang 1960 war Albert Fritzsche von seinem Posten als Betriebsleiter 'zurückgetreten'. Im Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 14.7.1960 liest sich das so:
"Punkt 5: Rücktritt des Herrn Albert Fritzsche von seinem Posten als Betriebsleiter
Herr Fritzsche hat unter dem 25.2.1960 seinen Rücktritt als Betriebsleiter erklärt. Er wurde von Herrn Güttler
(Vertreter für den volkseigenen und staatlichen Anteil) noch einmal gefragt, ob er bei diesem Entschluß bliebe. Zwar ist Herr Fritzsche der Meinung, daß sein Rücktritt durch eine unliebsame Angelegenheit mehr oder weniger erzwungen sei, wozu dann Herr K. durch auszugsweise Erläuterung aus dem Protokoll über die Aberkennung seiner Betriebsleiterfähigkeit durch das erweiterte Leitungskollektiv das Wort ergriff. Da Herr Fritzsche in der die Situation auslösenden Angelegenheit eine grundsätzlich gegenteilige Meinung wider Herrn K. verteidigt, wurde auch der BGL-Vorsitzende E. um seine Ansicht befragt. Er bezog jedoch keine konkrete Stellungnahme.
Herr Güttler nahm das Rücktrittsgesuch an und schlug den beiden Gesellschaftern
(Albert und Frieda Fritzsche) folgenden Beschluß vor:
Laut Schreiben vom 25. Februar 1960 beantragt Herr Fritzsche, daß er von der Geschäftsführung entbunden wird. Die Gesellschafter nehmen den Antrag an und beschließen:
Die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft übernimmt ab 1. Oktober 1960 der Gesellschafter Eigentum des Volkes - Rechtsträger DIB Karl-Marx-Stadt. Zum gleichen Zeitpunkt überträgt die Deutsche Investitionsbank ihre Gesellschafterrechte aus der staatlichen und volkseigenen Beteiligung auf den VEB Baukastenfabrik Blumenau. Herr Fritzsche wird für seine Mitarbeit im Betrieb nach den geltenden tariflichen Bestimmungen entlohnt. Die Vergütung ist zwischen Herrn Fritzsche, der BGL und dem geschäftsführenden Gesellschafter zu vereinbaren.
Die DIB wird mit VEB Baukastenfabrik in Verbindung treten.
" .
Obwohl der Text suggeriert, dass die 'unliebsame Angelegenheit' etwas mit der Übergabe der Gesellschafterrechte an den VEB Baukastenfabrik zu tun hatte, erscheint das eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass es sich hier um einen betriebsinternen 'Putsch' des früheren Prokuristen K. gehandelt hat und die Verbindung mit der Gesellschafter-Übergabe an den Konkurrenten nur zufällig ist. Um welche 'unliebsame Angelegenheit' es sich handelte, ist noch zu ergründen.

(wird ergänzt)

   
  Autor: Joachim Kleindienst